RP vom 31.01.2022 von Daniela Buschkamp https://rp-online.de/nrw/staedte/viersen/abschied-fuer-leiterin-der-janusz-korczak-realschule_aid-65494927

Interview mit Birgit Bünger, Leiterin der Janusz-Korczak-Realschule: „Die Kreide-Zeit ist für uns vorbei“

Birgit Bünger verlässt zum 1. Februar die Realschulen Schwalmtal/Niederkrüchten. Ihr Stellvertreter Yildirim Öner leitet die Schulen kommissarisch.
Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Nach 34 Jahren an der Janusz-Korczak-Realschule nimmt Schulleiterin Birgit Bünger Abschied. Im Interview spricht sich über ihre Arbeit.

Frau Bünger, vor sieben Jahren haben Sie Ihren Einstand als Schulleiterin gefeiert. Jetzt steht zum 1. Februar der Abschied bevor. Gehen Sie leichten Schrittes oder eher traurig?

Birgit Bünger: Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Arbeit an der Janusz-Korczak-Realschule (JRKS) war für mich nie Pflichterfüllung, sondern immer auch eine Herzensangelegenheit.

Zur Person

Realschülerin wollte an Realschule unterrichten

Ausbildung Birgit Bünger lernte an einer Realschule, machte Abitur und studierte Mathematik und Biologie. 1988 kam sie zur Janusz-Korczak-Realschule. Seit 2015 leitet sie diese, war zuvor Konrektorin.

Familie Mit ihrem Mann lebt die 63-Jährige in ihrem Geburtsort Erkelenz-Schwangenberg. Sie ist gern kreativ oder im Garten tätig.

Was sehen Sie als persönlichen Erfolg als Schulleiterin an?

Bünger: Wir haben hier ein Team – und nur im Team (mit rund 80 Menschen, davon rund 64 Lehrkräfte) kann man so eine große Realschule leiten – und vieles erreicht. So wurde der Ganztag komplett ausgebaut. Er basiert auf einem soliden Konzept, das für jede Jahrgangsstufe eine besondere pädagogische Konzeption aufweist.

So sieht das neue Lernzentrum der Janusz-Korczak-Realschule in Waldniel aus; auch in Niederkrüchten gibt es diese Einrichtung.
Foto: Daniela Buschkamp/Daniela Buschkamp

Wie sieht das für die Schüler aus?

Bünger: Bei den Fünftklässlern geht es im Ganztag um eine Stärkung der persönlichen Kompetenz, bei den Sechstklässlern um Differenzierung, bei den Siebtklässlern um eine Stärkung der Persönlichkeit, bei den Achtklässlern um das Projekt „Sozial genial“, bei dem die Schüler ehrenamtlich etwa im Seniorenheim oder auch in der Schule tätig sind, bei den Neuntklässlern um Berufsorientierung und bei den Zehntklässlern um die Vorbereitung auf den Abschluss. Auch die Inklusion konnten wir mit einem guten Team neu einrichten.

Was hat sich dabei geändert?

Bünger: Wir unterrichten insgesamt rund 940 Kinder, davon rund 640 in Schwalmtal. Insgesamt rund 45 Kinder haben besonderen Förderbedarf. Seit 2019 sind wir „Schule des gemeinsamen Lernens“. Ideal ist nun, dass es, anders als zuvor, feste Ansprechpartner gibt. Das Team besteht aus Sozialpädagogen, Sozialarbeitern, einer pädagogischen Mitarbeiterin und Lehrkräften.

Eine besondere Herausforderung war die Fusion der Realschulen Schwalmtal und Niederkrüchten.  Ist sie gelungen?

Bünger: Ich betrachte die Fusion der beiden Realschulen als erfolgreich. Da steckt jede Menge Arbeit drin. Was wir erreicht haben: Der Standort Niederkrüchten wird mittlerweile als gleichwertiger Standort angenommen und akzeptiert.

Die vergangenen zwei Jahre waren nicht nur wegen der Corona-Pandemie eine Herausforderung, sondern auch wegen des Schulumbaus. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Bünger: Ja, sehr. Mit großer Unterstützung wurde unsere Verwaltung am Standort Schwalmtal-Waldniel umgebaut: Dort gibt es mehr Platz, die Ausstattung ist hell und freundlich. Zudem sind zwei Klassenräume mit einem Förderraum  dazugekommen. Das ist für uns ein echter Fortschritt: Nun haben wir bald endlich wieder alle Schüler in unserem Gebäude. Zuvor mussten wir Räume im benachbarten St.-Wolfhelm-Gymnasium nutzen.

Was hätten Sie gern noch erreicht?

Bünger: Ich hätte gern noch miterlebt, wie sich die neuen Lernzentren an beiden Standorten mit Leben füllen. Die Lernzentren sind mehr als Bibliotheken mit PC-Arbeitsplätzen. Dort können Schüler individuell arbeiten und recherchieren oder auch eine Förderung nutzen. Sie können sich dort aber auch einfach aufhalten und lesen. Gerade sind auch die Möbel geliefert worden: Es gefällt mir sehr gut.

Und dann gab es noch die Qualitätsanalyse, bei der die Bezirksregierung die Janusz-Korczak-Schule bewertet hat…..

Bünger: Die Qualitätsanalyse hat sich über zwei Jahre hingezogen. Ist erst verschoben, dann abgesagt, dann doch gemacht worden. Wir haben größtenteils ein sehr positives Feedback erhalten. Die Bereiche, in denen wir nicht optimal abgeschnitten haben, sind uns auch vorher schon bekannt gewesen und werden von uns angegangen.

Wie sind Sie als Schule in der Pandemie klargekommen?

Bünger: Es hat uns geholfen, dass wir schon immer viel Wert auf EDV gelegt haben. Wir verfügen über WLan, haben mit IServ schnell eine passende Plattform für den digitalen Unterricht gefunden, unsere Schüler können in den Klassen IPads nutzen, alle Kollegen haben Notebooks, und wir verfügen in jedem Raum über digitale Tafeln und haben an beiden Standorten zusätzlich EDV-Räume. Die Kreide-Zeit ist für uns vorbei.

Welche besonderen Herausforderungen haben Sie durch Corona und die Folgen erlebt?

Bünger: Unter diesen Bedingungen den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Schule zu entwickeln, etwa bei der Inklusion oder beim Aufarbeiten von Defiziten durch die Pandemie. Auch die Elternarbeit ist schwierig geworden, ebenso Elterngespräche. Manches funktioniert im persönlichen Austausch einfach besser.

Nach 34 Jahren an der Realschule: Sind Sie unverändert überzeugt vom dreigliedrigen Schulsystem, auch wenn es in vielen Kommunen schon durch Gesamtschule und Gymnasium ersetzt ist?

Bünger: Ich bin eine absolute Befürworterin: Die Übergänge sind fließend, auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen kann passgenau eingegangen werden. Aber abseits von Organisationsfragen  geht es um die persönliche und  berufliche Entwicklung junger Menschen; jede/r sollte möglichst gut ausgebildet werden. Schule muss vom Kind her gedacht werden. Nicht alle können den gleichen Weg zum Ziel nehmen.

Was würden Sie sich für Schulen wünschen?

Bünger: Die Bildung unserer Schülerinnen und Schüler muss uns etwas wert sein. Wir brauchen gut ausgestattete Schulen, gut ausgebildete Lehrer, Schulsozialarbeiter, einen guten, familienfreundlichen Ganztag – und kleine Lerngruppen. 20 bis 25 Kinder wären ideal.

Wie wird es jetzt an der Janusz-Korczak-Realschule weitergehen?

Bünger: Zum 1. Februar wird mein bisheriger Stellvertreter Yildirim Öner die kommissarische Schulleitung übernehmen. Bei ihm und Daniela Lüders weiß ich die Schule in guten Händen. Auch wenn es eine riesige Kraftanstrengung sein wird, diese große Schule mit zwei Standorten, die eben nicht fünf Minuten voneinander entfernt liegen, nur zu zweit zu leiten. Im Mai wird die Schulleiterstelle voraussichtlich neu ausgeschrieben werden.

Was werden Sie im Ruhestand als erstes tun?

Bünger: Urlaub machen. Denn das war, zumindest  in den vergangenen zwei Jahren, nicht mehr möglich. Mir mehr Zeit für die Familie, insbesondere das erste Enkelkind, nehmen, für kreative Hobbys, meinen Garten und gute Krimis.