RP vom 18.05.2019

An die jüdischen Familien Levy und Cahn erinnern bald Stolpersteine.
von Axel Küppers (Text und Fotos)

„Dort drüben, von der Hecke am Wallweg, stürmten die Nazis in das Haus Dülkener Straße 37 und verschleppten Alex Levy.“ Peter Zöhren (78) läuft heute noch ein Schauer über den Rücken, wenn er an dieser Stelle vorbeigeht. Heute steht dort ein Neubau. Alex und Berta Levy gehören zu der Handvoll Juden, die in Waldniel lebten: Der Viehhändler Levy wird am 15. Mai 1875 in Waldniel geboren, seine Frau 1886 in Aachen. Das Paar wurde am 25. Juli 1942 ab Düsseldorf deportiert, es kamn ins Ghetto Theresienstadt. Im Herbst 1942 wurden sie im Vernichtungslager Treblinka ermordet.

Peter Zöhren, pensionierter Lehrer, hat die Geschichte der Waldnieler Juden aufgearbeitet. Der 78-Jährige ist vor einigen Jahren nach Brüssel gefahren und hat dort den mittlerweile verstorbenen Sohn Walter von Alex und Berta Levy getroffen. Zeitzeugen gibt es nicht mehr viele. „Als sein Vater von den braunen Schergen abtransportiert wurde, war Walter 13 Jahre alt und hat alles mitbekommen“, beschreibt Zöhren.

Für das Ehepaar Levy und für weitere fünf Waldnieler Juden werden am Dienstag, 28. Mai, Stolpersteine verlegt. Dass es dazu gekommen ist, ist das Verdienst von Annette Viegener, Lehrerin der Janusz-Korczak-Realschule. Schüler ihres Religionskurses sind eingebunden in die Initiative und gestalten die Verlegung der Stolpersteine mit.

Heute gibt es keine Juden mehr in Waldniel. „Anfang 1933 lebten in unserem Ort drei jüdische Familien. Es waren die Levys und die Cahns. Sie waren in der Gesellschaft integriert und angesehene Leute.“ Das haben die Recherchen von Peter Zöhren ergeben.
Bereits 1981 hat der gebürtige Kölner mit Wurzeln in Schwalmtal das Schicksal der Waldnieler Juden im „Dritten Reich“ mit Jugendlichen der Klasse 10B der Hauptschule Schwalmtal aufgearbeitet. Der Aufsatz, der daraus entstanden ist, ist mit dem dritten Preis des Bundespräsidenten ausgezeichnet worden.
Im Gegensatz zu Walter Levy hat Henriette, die Schwester von Alex Levy, den Holocaust nicht überlebt. „Et Jettschen“, wie die nicht verheiratete Henriette in Waldniel gerufen wird, lebte im Stammhaus der Levys an der Gladbacher Straße – heute Hausnummer 9, früher 53. Dort befindet sich eine Metzgerei. Henriette wurde im Winter 1941 im Ghetto Riga ermordet. Auch ihr wird jetzt ein Stolperstein gewidmet.

Die Spurensuche geht weiter. Leopold Levy, der Bruder von Alex, lebt mit seiner zweiten Frau Erna am Bleichwall. Die erste Frau Selma hat sich im Jahr 1935 erhängt, als die „Rassengesetze“ erlassen wurden. Leopold hatte im Gegensatz zu seinem Bruder einen eigenen Viehstall am Haus, er galt als begütert. 1914 war er Karnevalsprinz in Waldniel. Bruder Alex gehörte 1928 zum Elferrat der Karnevalsgesellschaft „Gruet end Kleen“. Erna Levy hat Riga überlebt, Leopold ist 1941 im Ghetto getötet worden. Die Stolpersteine wird der Künstler Günter Demnig vor dem Haus am Bleichwall verlegen.

Wie sieht es bei Familie Cahn aus? Bernhard und Ida Cahn wohnten zur Miete im Haus an der Pumpenstraße, einen Steinwurf von der 1958 abgerissenen Synagoge entfernt. Sie handelten mit Kleinvieh. Die Familie war sportlich. Bernhard, gebürtiger Waldnieler, war 1903 Schriftführer im Turn- und Sportverein (TuS). Seine Tochter Lene war die Mitbegründerin der Frauenriege im TuS. Bruder Rudolf war ein guter Weitspringer. Beide, Bernhard und Ida, fielen der Vernichtungsmaschinerie Hitlers zum Opfer: Am 25. Juli 1942 ging es ab Düsseldorf ins Ghetto Theresienstadt, am 26. September 1942 ins Lager Treblinka.

Aus dem dunklen Kapitel der Judenverfolgung ragt immerhin ein kleiner Lichtschein heraus: Helene Winter-Cahn, die Tochter von Bernhard und Ida. Sie überlebte den Holocaust in den Niederlanden und starb am 14. Oktober 2006 in Roermond mit 101 Jahren. „Sie hat viel Glück gehabt, dass sie den Nazis entkommen ist“, sagt Peter Zöhren.

Info Mit der Verlegung der Stolpersteine wird am Dienstag, 28. Mai, 9 Uhr, an der Pumpenstraße 22 begonnen. Weitere folgen an Bleichwall, Gladbacher Straße und Dülkener Straße